Bellende Hunde und andere Meinungsmacher

bellende-hundeKennen Sie die Geschichte von Rolf? Rolf ist fünf Jahre alt und clever. Er hört auf seinen Vater und dieser sagt immer wieder: »Bellende Hunde sind gefährlich. Wenn du einen bellenden Hund siehst, dann renn weg, such das Weite, denn Hunde, die bellen, beißen auch.« Rolf kommt in den Kindergarten. Schon bald geht er den Weg dahin mutig und allein, ohne seine Mutter. Doch auf dem Kindergartenweg lauert neuerdings eine große Gefahr.

Auf der linken Seite, hinter einem weißen Zaun: ein bellender Hund! Rolf ist clever. Weil er gelernt hat, bellenden Hunden aus dem Weg zu gehen, weicht er auf der Höhe des Zaunes über die stark befahrene Hauptstraße auf die andere Straßenseite aus und geht dort weiter. Sobald der bellende Hund keine Gefahr mehr darstellt, kehrt Rolf – wieder über Hauptstraße mit dem dichten Verkehr – auf die andere Seite zurück.

Er nimmt somit nochmals das Risiko in Kauf, von einem Auto angefahren zu werden. Doch dessen ist sich Rolf nicht bewusst, denn er versucht ja nur sein Bestes, nämlich dem bellenden Hund auszuweichen. Offensichtlich nimmt er auf diese Weise ein viel größeres Risiko auf sich, um seinem Idol, seinem Vater, bedingungslos zu folgen.

Übrigens, Rolf ist heute 34 Jahre alt, er hat noch immer Angst vor bellenden Hunden. Warum? Das weiß er leider nicht mehr. Solche Beispiele gibt es viele. Wir haben unser Verhalten, unsere Meinungen und Ängste, weil diese uns unabsichtlich von anderen tief ins Unterbewusste eingepflanzt wurden. In der Regel durch Eltern, Großeltern oder Lehrer. Leider hinterfragen wir diese inneren Blockaden meist nicht mehr.

Seit 1974 werden in deutsche Autos Sicherheitsgurte eingebaut. Für viele war das Anlegen der Gurte wie Fesseln und löste Angst aus. Niemand fand das angenehm, niemand gurtete sich an. Auch die Werbung im Jahre 1976, »Klick – erst gurten, dann starten«, änderte das Verhalten der Autofahrer nicht. Niemand wollte die Gurte im Auto tragen. Zeitgleich wurde in Hollywoodfilmen öfter gezeigt, dass sich die Filmhelden angurteten.

Die Zuschauer sahen, wie bei einer wilden Verfolgungsjagd zwischen Gangstern und Polizei die Protagonisten den Gurt anlegten. Unbewusst wurde dieses Verhalten nun immer öfter kopiert, sodass 1983 bereits 60 Prozent der Autofahrer mit angelegten Gurten fuhren. Am 1. August 1984 kam dann noch das Bußgeld von 40 DM dazu. Dies erhöhte das Angurten auf 90 Prozent. Meine Frau stellte neulich fest, dass ich im Auto immer bereits etwa 100 Meter vor unserem Haus die Gurte löse. »Warum tust du das?«, fragte sie. Ich: »Keine Ahnung. Weißt du, ich fühle mich dann frei und kann in Ruhe einparken.« Auch nach längerem Nachdenken wusste ich keine Antwort.

Der Zufall wollte es, dass ich ein paar Tage später mit meiner lieben Mutter gemeinsam im Auto fuhr. Sie saß am Steuer, ich war Beifahrer. Ich traute meinen Augen nicht. Sie löste circa 100 Meter vor dem Ziel ihre Gurte. Ich: »Warum tust du das?« Sie: »Ich weiß es nicht. Ich mache das immer so.« Ich erzählte ihr die Geschichte von mir und wir mussten lachen. Nach einigem Studieren landeten wir bei ihrem Fahrlehrer.

Auch die folgende Geschichte zeigt eindrucksvoll, wie beeinflussbar wir sind und wie unbemerkt wir viele Handlungen einfach in unser Leben integrieren. Carola kocht gerne mit ihrer Mutter. Das Mädchen ist zwölf Jahre alt und schaut der Mutti oft beim Kochen zu. Heute gibt es Fleisch. Die Mutti schneidet das Fleisch in zwei Stücke und will gerade weitermachen, da fragt Carola: »Du Mutti, warum schneidest du das Stück in zwei gleich große Teile, jetzt, beim Kochen?«. Mutti antwortet: »Puh, gute Frage, das weiß ich nicht.« »Ja, aber Mutti, du hast doch sicherlich einen Grund dafür?«, möchte Carola wissen. Mutti dachte nach und sagt: »Tatsächlich, du hast recht, meine Tochter. Ich habe das von meiner Mutter, also deiner Grossmutter Jeda, übernommen. Sie hat mir das Kochen beigebracht. Das habe ich von ihr.

Frag sie, sie kommt am Wochenende.« Gesagt, getan. Am Sonntag eilt die zwölfjährige Carola zu ihrer Großmutter und sagt: »Wir haben diese Woche gekocht und Mutti hat das Fleisch in zwei Hälften geschnitten. Sie hat gesagt, du tust das auch. Warum?« Großmutti lächelt und studiert: »Ich? Nein, das mach ich bestimmt nicht, nein.« »Doch, Mutti hat es gesagt, du tust es, du hast es ihr beigebracht.« Es folgt ein Gespräch zwischen den dreien und plötzlich sagt die Großmutter: »Carola, stimmt, jetzt erinnere ich mich wieder.

Das ist schon sehr lange her. Das habe ich, als deine Mutti ein Kind war, auch gemacht. Aber weißt du, das musste ich ja auch, denn damals hatte ich eine Pfanne, die nicht so groß war wie die, die ich heute besitze. Und damit das Fleisch nicht über den Pfannenrand herausragte, musste ich es in zwei Stücke schneiden.« Die Frage ist: »Was kopierst du heute noch unbewusst, was du nicht mehr kopieren musst, weil sich das Außen längst verändert hat?«

Jenseits der Logik-Tipp Hand aufs Herz.

Finde unbewusste Abläufe heraus und hinterfrage sie. Heute ist ein guter Zeitpunkt, um diese Abläufe zu unterbrechen und aufzulösen.

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